Mit einem Cochlea Implantat das eigene Hörvermögen zurückerhalten
In Deutschland leben rund 80.000 gehörlose und circa 16 Millionen schwerhörige Menschen.
Immer mehr von ihnen können dank neuer Technologien und Operationsmethoden mit einem Cochlea Implantat ihr Hörvermögen zurückerhalten.
Anna und Sebastian (Namen geändert) haben ihrem Kind noch im Mutterleib liebevoll zugesprochen.
Nach der Geburt gehörten Singen und Erzählen zu den häufigsten Formen der Zuwendung, die sie ihrem Baby entgegenbrachten.
Erst als es drei Monate alt war, erfuhren die Eltern, dass ihr Kind keines ihrer Worte je vernommen hatte.
Es ist so stark hörgeschädigt, dass nur Geräusche in der Lautstärke eines Presslufthammers zu ihm durchdringen.
In der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) erhalten Anna und Sebastian mit der Diagnose Hochgradige Hörschädigung auch die Therapieoption Cochlea Implantat (CI).
Ein CI kann eine eingeschränkte Innenohrfunktion ersetzen. Dafür implantieren spezialisierte Chirurgen wie PD Dr. Pingling Kwok, Leitende Oberärztin der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des UKR, eine Empfangseinheit mit Magnet in den Schädelknochen und einen damit verbundenen Elektrodenträger ins Innenohr.
Ein außen am Ohr angebrachtes Mikrophon sendet dann über eine Spule am Schädel, die vom magnetischen Teil des Implantats gehalten wird, Signale an die Elektroden im Innenohr.
Dadurch wird der Hörnerv stimuliert und es entsteht ein Höreindruck. Rund 30.000 Betroffene in Deutschland können so wieder an ihrer akustischen Umwelt teilhaben.
„Mit Cochlea Implantaten ermöglichen wir hochgradig hörgeschädigten und auch komplett ertaubten Menschen in jedem Lebensalter den Zugang zur Welt des Hörens – unabhängig davon, ob ein oder beide Ohren betroffen sind.
Durch ein CI erreichen wir bei fortschreitender hochgradiger Schwerhörigkeit sogar ein besseres Sprachverständnis als mit einem Hörgerät.
Bei einer einseitigen Taubheit ist mit einem CI endlich ein Richtungshören möglich“, bewertet Professor Dr. Christopher Bohr, Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des UKR, den Nutzen von CIs.
© UKR / Klaus Völcker
Mit Cochlea Implantat ins MRT
Aufgrund aktueller Fortschritte der Implantathersteller und einer Verfeinerung der Operationsmethoden sind CIs heute für wesentlich mehr Menschen eine Option als noch vor einigen Jahren.
„Die neueste Generation der Cochlea Implantate ist MRT-tauglich. In Kürze erwarten wir die Zulassung des zweiten Modells mit dieser Technologie, mit dem wir noch in diesem Jahr die ersten Patienten versorgen werden.
Wir können nun auch Patiente implantieren, denen vorher aufgrund zu erwartender MRT-Untersuchungen von einem Cochlea Implantat abgeraten wurde“, führt Dr. Felix von Scotti, Oberarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des UKR, aus.
Bislang musste ein CI vor einer MRTAufnahme explantiert und anschließend wieder implantiert werden, da im MRT der Magnet im Schädelknochen Probleme bereiten kann.
Diese neuen Entwicklungen kommen vor allem Babys wie dem von Anna und Sebastian zugute: Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe eines Lebens eine MRT Aufnahme zu benötigen, ist immens hoch.
Aber auch Patienten, die aufgrund einer zunehmenden Schwerhörigkeit oder einer Ertaubung im Erwachsenenalter ein CI erhalten, profitieren von dieser neuen Technologie: So erfolgt eine Diagnose von Rückenbeschwerden, Schwindel oder Krebs häufig im MRT.
Krankheiten, von denen ein großer Teil der Bevölkerung und damit auch viele schwerhörige oder ertaubte Menschen betroffen sind.
Bei den neuesten CI-Modellen sind die implantierten Magnete beweglich gelagert, was MRT-Aufnahmen möglich macht.
Erhalt des Hörvermögens trotz CI
Mit der sogenannten ‚Soft Surgery‘ kann man am UKR das Restgehör beim Einsetzen eines CIs erhalten.
„Dabei wird die Elektrode nicht komplett in die Cochlea eingeführt. Sie deckt dann nur die Frequenzen ab, die der Patient nicht mehr hört. Die tiefen Töne werden weiterhin durch das natürliche Gehör verarbeitet“, erklärt PD Dr. Kwok.
Die CI-Experten des UKR ermitteln in Hörtests und Hörgeräteüberprüfungen, ob die Hörgeräteversorgung noch ausreichend ist.
„Was viele nicht wissen: Wenn Hörgeräte an ihre Grenzen kommen, sind manche Patienten mit einem ein- oder beidseitigen Cochlea Implantat besser versorgt. Für die soziale Teilhabe ist diese Behandlung ein Segen“, fasst Professor Bohr zusammen.
© UKR/Johannes Beutler
Voraussetzungen für ein CI sind, dass Hörschnecke (Cochlea) und Hörnerv intakt, die zentralen Hörbahnen nicht gestört und nach dem Eingriff Möglichkeiten der Rehabilitation gegeben sind.
Lange CI-Tradition in Ostbayern
Die Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des UKR kooperiert mit dem Institut für Hören und Sprache in Straubing als Bayerisches Cochlear Implant Centrum Regensburg- Straubing, dem ältesten und erfahrensten CI-Zentrum in Bayern.
Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit oder eine hochgradige Schwerhörigkeit im Baby- und Kleinkindalter kann sich massiv auf die Sprachentwicklung eines Kindes auswirken.
Aus diesem Grund sollte eine CI-Therapie bei Kindern so früh wie möglich beginnen.
Von der Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des UKR wurde deshalb vor über 20 Jahren das Bayerische Hörscreening zur Identifikation von Hörstörungen bei Neugeborenen initiiert.
So kann bereits wenige Stunden nach der Geburt ein Hinweis auf eine Hörstörung festgestellt und frühzeitig mit einer Therapie begonnen werden.
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Professor Dr. Christopher Bohr
Direktor
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde
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