Lebenskräfte und chinesische Medizin
Die chinesische Medizin hält es für erhebliche bedeutend für die Erhaltung der Gesundheit des Patienten, daß er im Einklang mit seinen Lebenskräften lebt.
In China wird dies unter anderem durch spezifische Atem- und Bewegungsübungen, dem Qi Gong und Tai Ji Quan erreicht.
Qi Gong bedeutet das „Qi üben“, was ausdrückt, das der Übende in Bewusstheit des Qi den Umgang mit der Lebensenergie praktiziert. Was bedeutet konkret Qi-Bewusstheit?
Durch Beruhigung der Atmung während der Qi Gong-Übungen und verlangsamten Armbewegungen, die mit dem Atem synchron gehen, erreicht man eine Sensibilisierung für das Empfinden der im Körper fließenden Lebensenergie Qi.
Sie wird zunächst als Kribbeln und einem Gefühl des „Aufgeladen sein“ wahrgenommen, später als konkretes Empfinden eines Fließens im Körper.
Chinesische Medizin – Leben im Einklang mit den Lebenskräften
Im Westen gibt es heute keine vergleichbaren Übungen und auch keine Vorstellungen von einer Lebenskraft in der Medizin.
Noch vor 150 Jahren beschäftigte sich Hufeland, der bedeutende Arzt der Romantik, Leibarzt Goethes, in seinem Hauptwerk mit dem Thema „das Leben zu verlängern“.
Wesentlich für die Erlangung eines langen Lebens für Hufeland ist die Erhaltung der „Lebenskraft“ bis ins hohe Alter, das zentrale Thema auch für die chinesische Medizin in der Antike.
Die meisten Menschen im Westen leben wenig bewusst mit ihrem Körper, ihren Gefühlen aber auch mit ihren psychischen Lebensthemen.
Wie äußert sich diese Unbewusstheit? Die Menschen leben meist nach außen gerichtet, also extrovertiert, ihr Bewusstsein beschäftigt sich ständig entweder mit Vergangenheit oder Zukunft.
Sie sind verhaftet an vergangene Ereignisse oder Gefühle, die nicht ausreichend verarbeitet wurden, daher die gedankliche Haftung an ihnen.
Oder aber das Bewusstsein hängt mit ständigen Gedanken in Plänen oder in Ängsten vor zukünftigen Situationen.
Warum ist diese Unbewusstheit, dieses Haften am Vergangenem oder Zukünftigem so problematisch, ja häufig krankmachend?
Körperliche und emotionale Unbewußtheit macht krank, da aktuelle Bedürfnisse nicht wahrgenommen und so auch nicht erfüllt werden.
Bei Überarbeitung zum Beispiel, ist die Aufmerksamkeit auf die rationale Pflichterfüllung fokussiert, andere körperliche oder emotionale Bedürfnisse werden nicht wahrgenommen.
Viele Menschen werden sich der Müdigkeit und schließlich der Erschöpfung nicht bewußt, oder ignorieren sie immer wieder mit dem auf die aktuellen Aufgaben fokussierten Willen.
Mißachtung und Mißbrauch des Körpers, der Gefühle, der psychischen Bedürfnisse rächt sich durch Krankheit.
Krankheiten bringen oft die Menschen zurück in die Realität des „Hier und Jetzt“, in den Schmerz oder in ein schmerzhaftes Gefühl.
Bewusstheit und chinesische Medizin
Die chinesische Medizin kennt viele Methoden, angefangen von Qi Gong und Tai Ji Quan bis hin zur Akupunktur führen diese Therapiemethoden zu einem „nach Innen gehen“ zu einer Fokussierung des Bewußtseins auf die Gegenwart und auf den Raum des Körpers und seiner Gefühle.
Bei der Akupunkturtherapie zum Beispiel ist der Patient durch das Liegen der Nadeln für 15-25 Minuten auf sich selbst gerichtet, empfindet seinen Körper bewusster und die Gefühle in ihm.
Der Prozeß des „nach Innen Gehens“ und dadurch bewußter werden sollte vom Patienten zu Hause täglich mehrmals geübt werden.
Dafür gibt es ein schrittweises Vorgehen, das man zunächst mit dem Patienten üben sollte, z.B. in Zusammenhang mit einer Akupunkturtherapie.
Der Patient wird aufgefordert, nachdem die Akupunkturnadeln gesetzt sind:
1. die Augen zu schließen,
2. innerlich zur Ruhe zu kommen,
3. ruhig zu atmen, tief in den Brustkorb hinein und langsam wieder ausatmen. Die Ausatmung ist langsamer als die Einatmung. Entspannung beim verlängerten Ausatmen ist von besonderer Bedeutung.
4. In den Körper zu gehen; den Körper zu fühlen – zunächst den gesamten Körper, dann nacheinander den Kopf, den Hals, den Brustkorb, den Bauchraum, das Becken und zuletzt den Schultergürtel mit den Armen sowie die Beine; jede Körperregion für jeweils 20-30 Sekunden.
5. Wenn der Patient ruhiger und durch die bewußte Atmung und die Wahrnehmung der Empfindungen im Körper mehr zu sich selbst gekommen ist, wird er aufgefordert auch seine Gefühle mehr wahrzunehmen, sich ihrer bewußter zu werden.
6. Im nächsten Schritt soll sich der Patient intensiv auf die Körperregion konzentrieren, in der seine Störung oder seine Krankheit lokalisiert ist. Mit seiner gesamten fokussierten Bewußtheit soll er in diese Region gehen, z.B. in den Schmerzbezirk des Kopfes, und diese intensiv wahrnehmen, die Größe, die Begrenzung, die Dichte oder sogar die Farbwahrnehmung in diesem Bezirk aber auch die Gefühle z.B. Traurigkeit, Wut oder Angst, die in dieser Region wahrzunehmen sind. Dies ist ein Prozeß der zunächst 5-10 Minuten beanspruchen sollte.
7. Der Patient wird danach aufgefordert in diese Region hineinzuatmen.
Diese Schritte helfen die Aufmerksamkeit in den Körper zu fokussieren, ihn gegenwärtig intensiv wahrzunehmen.
Im Gegensatz zur westlichen Medizin, die in der Regel versucht, z.B. einen Schmerz mit Analgetika auszuschalten, geht es hier um die Bewusstwerdung der Störung und deren Ursache.
Bewusstheit hat eine ausgeprägte Heilwirkung.
Das „nach Innen gehen“, das sich besinnen auf das „Hier und Jetzt“ des Körpers und dessen Gefühle, läßt den Menschen seine aktuellen Bedürfnisse, z.B. Müdigkeit und Schlafbedürfnis, besser wahrnehmen und ausleben.
So erlernt man instinktiv was entspannend und harmonisierend wirkt und was Spannungen und Unwohlsein erzeugt.
Dies wird bereits im Frühstadium einer Verspannung erkannt, und nicht erst wenn die Verspannungen in Schmerzen übergegangen sind und das gesamte Bewusstsein in Beschlag nehmen.
Autor: Gabriel Stux
Quelle: www.akupunktur-aktuell.de
Bildrechte: Pixabay.com ©Gianni Crestani (CC0 Creative Common)