Chinesische Akupunktur
Eine wirksame Behandlung durch Chinesische Akupunktur schließt das Stellen einer Diagnose nach der Lehre der Traditionellen Chinesischen Medizin ein.
Die Diagnosestellung erfolgt über verschiedene Methoden, wie die Beurteilung der Gesichtsfarbe, das Aussehen der Zunge, die Beschaffenheit des Pulsschlags, die Krankengeschichte und auch das Auftreten von Schwitzen.
Durch Abtasten, Riechen, Hören und Sehen wird der Zustand des Qi und eventuelle Störungsmuster erfasst.
Diese chinesische Diagnose gilt als Grundlage für das Erstellen einer ganzheitlichen Behandlungsstrategie.
Sie kann die Chinesische Akupunktur und auch die Kräutertherapie oder eine Ernährungsumstellung beinhalten.
Die chinesische Akupunktur wird als wesentlich wirksamer als die immer noch oft praktizierte „westliche“ Akupunktur angesehen, die eine Behandlung anhand westlicher Diagnosen vorsieht.
Eine chinesische Diagnose gilt als essentielle Grundvoraussetzung und ist das Fundament für die chinesische Akupunktur.
Der Weg zu einer Diagnose ist in der chinesischen Medizin grundverschieden von dem Vorgehen in der heutigen westlichen Medizin.
Der Arzt benutzt seine Sinne , um anhand der Symptome, den gestörten Funktionen von Organen, der äußeren Erscheinung des Patienten und der äußeren Untersuchung zur Diagnose von Störungsmustern der Lebensenergie Qi in den einzelnen Meridianen und Organen zu gelangen.
Die Befunde bzw. die Symptomatik einer Funktionsstörung oder einer Erkrankung werden nach 8 klassischen diagnostischen Kategorien Hitze – Kälte, Fülle – Schwäche, Außen – Innen, Yang -Yin analysiert.
So entsteht eine Diagnose im chinesischen Sinne.
Seit der Zeit der Han Dynastie (202 v. u.Z. – 220 n. u. Z.) wenden chinesische Ärzte 4 klassische Untersuchungsmethoden an, chinesisch Si jian.
Die 4 Untersuchungsmethoden sind:
- 1. Betrachten, Sehen (Wang),
- 2. Hören bzw. Riechen (Wen),
- 3. Erfragen (Wen),
- 4. Untersuchen, Tasten (Qie).
Einige Untersuchungsmethoden standen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, so die Betrachtung der Hautfarbe, die Untersuchung der Zunge, sowie das Pulsfühlen.
Das Einordnen der spezifischen Symptome und Befunde in die klassischen Kategorien der Disharmonie wurde immer mehr verfeinert.
Der ganzheitlichen Betrachtungsweise, sowie dem intuitiven Erfassen von Störungsmustern widmete man große Aufmerksamkeit beim diagnostischen Vorgehen.
Chinesische Akupunktur – Einige Beispiele für diagnostisches Vorgehen
Der chinesische Arzt legt bei der Beobachtung besonderen Wert auf die Beurteilung des Shen des Patienten.
Shen, der Geist, die psychische Energie, offenbart sich im Wesentlichen im Leuchten der Augen.
Auch der Ausdruck des Gesichts und die Klarheit der Gedanken sind ein wichtiger Hinweis auf den Zustand des Shen. Man sagt der “Patient hat Shen”.
Bei Schwäche von Shen sind die Augen trübe, ohne Glanz, der Gesichtsausdruck ist wenig ansprechend, die Gedanken zerrissen und ohne Überzeugungskraft.
Da Shen vom Qi und vom Blut abhängt, deutet eine Schwäche von Shen auf eine Störung von Qi und Blut.
Auch die Farbe des Gesichts wird beurteilt. Sie gibt wichtige Hinweise auf den Zustand von Qi und Blut in den Organen.
Die Farben werden nach der Theorie der fünf Wandlungsphasen den Organen zugeordnet.
Ein “weißes Gesicht”, also Blässe, deutet auf eine allgemeine Tendenz zu Kältestörungen bzw. auf eine Schwächestörung.
Auch bei chronischen Lungenerkrankungen findet man ausgeprägte Blässe und oft “Farblosigkeit” des Gesichts.
Graue, “schwarze” Gesichtsfarbe weist auf eine Schwäche der Nierenenergie. Unter den Augen tritt gräuliche Hautfärbung häufig auf.
Gelbgrünliche Gesichtsfarbe ist ein Hinweis auf Lebererkrankungen, während gelbbräunliche Farbe auf eine Störung der Verdauungsfunktion des Milz-Pankreas-Systems hindeutet.
Rote Gesichtsfarbe ist typisch bei Herzerkrankungen und kann auch bei Hitzestörungen auftreten.
Der Betrachtung der Zunge widmete die chinesische Medizin ein besonderes Augenmerk.
Neben der Größe und Konsistenz spielen die Farbe der Zunge und der Zungenbelag eine wichtige Rolle.
Eine blasse Zunge zeigt eine Schwäche- bzw. Kältestörung an, während eine stärker gerötete Zunge auf Hitzestörungen der inneren Organe hindeutet.
Die trockene Zunge ist ein Hinweis für Hitzestörung bzw. Yin-Schwäche, eine sehr feuchte Zunge zeigt eine Kältestörung an.
Der Funktionskreis Milz-Pankreas und Magen bestimmt die Qualität des Zungenbelages. Ein geringer Zungenbelag kann durchaus normal sein.
Ein dicker Belag ist Ausdruck eines Füllezustandes, wenn sehr trocken oder geschrumpft Hinweis auf Hitze und dadurch Verlust der Yin-Kräfte, also Yin-Schwäche.
Gelblicher Belag zeigt Hitzestörungen an. Weißer wäßriger Belag kommt bei Fülle bzw. Hitze des Magens vor.
Eine Schwellung oder Vergrößerung der Zunge mit Zahneindrücken ist kennzeichnend für Milz-Pankreas-Störungen.
Der traditionelle Therapeut befragt den Patienten nach dessen Krankengeschichte , dem Verlauf früherer und jetziger Störungen bzw. Erkrankungen und beurteilt sie auch nach den 8 diagnostischen Kategorien.
Chronisch verlaufende Erkrankungen deuten eine Schwächestörung der Organe an, akute Erkrankungen weisen meist auf Füllestörungen.
Oft zeigt sich in der Krankengeschichte, dass bestimmte Organschwächen immer wieder auftreten.
So können häufig dieselben Störungsmuster in unterschiedlichen Erkrankungen wiederkehren.
Weiterhin wird die Reaktion des Patienten auf Kälte bzw. Hitze, sowie der Charakter und genaue Lokalisation der Schmerzen erfragt.
Plötzliches und häufiges Schwitzen auch nach geringer Anstrengung sind Zeichen einer Yang-Schwäche.
Nachtschweiß zeigt eine Schwäche von Yin an mit begleitender Yang-Fülle.
Übermäßiger Durst ist ein typisches Hitze- bzw. Yang-Symptom, wobei Yin-Flüssigkeit verbraucht ist.
Heißhunger bzw. übermäßiger Appetit sind Ausdruck einer Schwäche von Qi.
Appetitmangel mit Völlegefühl im Abdomen zeigen eine Schwäche des Funktionskreises Magen und Milz-Pankreas an.
Obstipation bei älteren Menschen oder nach langer Erkrankung treten bei Schwäche von Qi und “Verbrauch” der Körperflüssigkeiten auf.
Spastische Obstipation ist eine Fülle- bzw. Yang-Störung des Verdauungssystems.
Schmerzen sind nach chinesischer Vorstellung auf Störungen im Fließen der Lebensenergie also von Qi zurückzuführen.
Akute Schmerzen oder Krämpfe werden auf Blockade von Qi mit Fülle zurückgeführt.
Dumpfe drückende oder bohrende Schmerzen sind häufig von einer Schwäche von Qi verursacht.
Da der Schmerz oft das Symptom ist, an dem der Patient am stärksten leidet, ist die Analyse der Schmerzen nach den Kriterien der chinesischen Medizin entscheidend für das spätere therapeutische Vorgehen.
Oft strahlen Schmerzen entlang von Meridianen aus, so z. B. Herzschmerzen bei Angina pectoris entlang des Herzmeridians.
Auch äußere durch Kälte oder Wind mitverursachte Erkrankungen wie z. B. Ischialgien oder HWS-Syndrom ziehen entlang von bestimmten Meridianen. Man sagt das Qi des Meridians ist stagniert.
Die Zuordnung von Schmerzen zu den entsprechenden Meridianen ist entscheidend für die spätere Punktauswahl bei der Therapie.
Wenn Kopfschmerzen im Bereich des Gallenblasenmeridians am Kopf lokalisiert sind, behandelt man mit Fernpunkten des Gallenblasenmeridians am Bein und Fuß.
Neben der Schmerzlokalisation sind die Qualität der Schmerzen sowie die Änderungen der Schmerzempfindungen ausschlaggebend für die Diagnostik.
Die chinesischen Diagnosen werden im Westen als chinesische Syndrome im traditionellen Sinne genannt.
Einige Beispiele seien hier aufgeführt: Schwäche des Lungen-Qi, Schwäche des Nieren-Yang, Aufsteigendes Leber-Feuer, Schwäche des Herz-Qi.
Syndrome in diesem Sinne meint nicht nur die Summe der Symptome, sondern auch ihre energetische Ursache und Interpretation nach den Vorstellungen des chinesischen Medizinsystems.
Nach erfolgter chinesischer Diagnose wird im zweiten Schritt eine Therapiestrategie festgelegt z. B. die Absicht das Qi der Lunge zu stärken oder die aufsteigende Leberenergie zu harmonisieren.
Bei kombinierten chinesischen Syndromen können auch mehrere Therapiestrategien notwendig werden.
Aus den Therapiestrategien ergeben sich als dritter Schritt einer chinesischen Akupunktur bestimmte, wirksame Punktekombinationen für die chinesische Akupunktur-Therapie, die dann in den einzelnen Akupunktursitzungen angewendet werden.
Begleitend werden auch Verhaltensmaßregeln empfohlen oder eine Ernährungsumstellung nach den 5 Elementen, die bei diesem Störungsmuster hilfreich sind.
Bei tiefer gehenden Organstörungen kann die Gabe von chinesischen Heilkräutern sinnvoll sein.
Aus der chinesischen Diagnose folgen also primäre Therapiestrategien sowie das Festlegen von optimalen Punktekombinationen für die Nadelung.
Westliche Akupunktur
Die chinesische Akupunktur wird von ca. 20 % der akupunktierenden Ärzte im Westen angewendet, die Mehrzahl der Ärzte praktiziert eine westliche Form der Akupunktur.
Diese geht in erster Linie von westlichen Diagnosen aus und von Krankheitskonzepten der westlichen Medizin, wie sie in der Anwendung von Medikamenten üblich sind, ohne Berücksichtigung der energetischen Grundgegebenheiten der Erkrankungen.
Bei Schmerzen werden z. B. statt Diclofenac oder Aspirin schmerzlindernde Punkte wie Dickdarm 4 oder Magen 44 genadelt.
Gerade bei chronischen Erkrankungen ist diese westlich symptomatische Akupunktur wenig wirksam da sie die zugrundeliegenden energetischen Störungsmuster, also die chinesische Diagnose nicht berücksichtigt.
Diese Form der Akupunkturanwendung führt nicht zu dauerhafter Besserung oder zur Heilung.
Sie zeigt lediglich eine kurzzeitige Linderung der Symptome, ähnlich wie Diclofenac auch nur kurz wirkt und immer wieder neu eingenommen werden muss.
Bei chronischen Erkrankungen wie Migräne, Tinnitus, Depression, Schlafstörung, Trigeminusneuralgie ist der Erfolg der Akupunkturbehandlung von der vorausgehenden chinesischen diagnostischen Einordnung der Erkrankung abhängig.
Auch die konsequente Berücksichtigung der erarbeiteten Therapiestrategien ist von essentieller Bedeutung.
Den Patienten wird empfohlen sich nach der Ausbildungsdauer ihres Therapeuten zu erkundigen und auch nach der Erfahrung in der Anwendung, also seit wie vielen Jahren Akupunktur praktiziert wird und mit welcher Häufigkeit bei dem speziellen Krankheitsbild.
Autor: Klaus J. Benner, Heilpraktiker, Wuppertal
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