Ayahuasca – Trenddroge oder ein Allheilmittel?

Warum ist Ayahuasca so beliebt? Ist dieses südamerikanische halluzinogene Getränk eine weitere Trenddroge oder hat sie auch therapeutischen Wert? Was bleibt von der spirituellen Dimension übrig, wenn Ayahuasca-Zeremonien kommerzialisiert werden? Das Getränk gewinnt auch in Europa an Beliebtheit. Auch in Deutschland finden Ayahuasca-Zeremonien statt.

Ayahuasca – ein Allheilmittel?

Das Getränk ist so beliebt wie noch nie. Menschen die dieses südamerikanische halluzinogene Getränk bereits getrunken haben, schwören auf die spirituelle Erfahrung der „Reise“, die Sie nach dem Trinken erleben. Darüber hinaus scheinen erste wissenschaftliche Studien zu zeigen, dass der Gebrauch des Getränks unter anderem gegen Stress und Depressionen helfen kann.

Der Philosoph Govert Derix, der Psychologe Kim van Oorsouw und der Philosoph Pieter Lemmens präsentierten ihre Ansichten zu diesem potenziellen Allheilmittel für mehr als 400 interessierte Menschen. Nachdem Derix, van Oorsouw und Lemmens ihre Erfahrungen ausgetauscht hatten, diskutierten sie unter der Leitung der Programmiererin Lisa Doeland spirituelle, wissenschaftliche und philosophische Fragen zu Ayahuasca.

Psychoaktive Droge

Ayahuasca stammt ursprünglich aus dem Amazonas und ist dort bis heute weit verbreitet. Dieser dreifache konzentrierte Tee wird nicht alleine zu Hause, sondern in einer von Schamanen geführten Zeremonie getrunken.

Die Verwendung des südamerikanischen Getränkes ist in den Niederlanden seit Anfang 2018 aufgrund des Wirkstoffs DMT offiziell verboten. Dieses war bereits auf der Liste der harten Drogen, aber sein Gebrauch wurde als religiöses Ritual geduldet. Ayahuasca ist jedoch immer noch beliebt.

Ayahuasca Tourismus

Immer mehr Menschen leisten sich während eines Wochenendtrips die Erfahrung einer Ayahuasca-Reise, aber liegt der Schwerpunkt nicht zu sehr auf der medizinischen Wirkung? Was bleibt von der Wirksamkeit der Substanz, wenn wir den ursprünglichen religiösen und spirituellen Kontext auslassen?

Zerstören Kommerzialisierung und Ayahuasca-Tourismus ein uraltes Ritual oder setzt es sich hier erfolgreich durch? Der Philosoph Govert Derix betrachtet die religiösen Seiten der Zeremonien.

Türen der Wahrnehmung

Der Gebrauch des Ayahuasca-Getränkes wird oft als spirituelle oder innere Reise beschrieben. Es stimuliert die Sinne und führt zu allerlei neuen Einsichten und Erfahrungen. Der Philosoph Pieter Lemmens untersucht die philosophischen Dimensionen des Ayahuasca-Schamanismus und fragt sich, ob das Ayahuasca-Getränk tatsächlich die sprichwörtlichen Türen der Wahrnehmung öffnet und so andere Formen des Wissens ermöglicht.

Ein Allheilmittel?

Viele Ayahuasca-Anwender weisen dem Medikament einen therapeutischen Wert zu. Mit einem Wochenendtrip würde das über Jahre angesammelte psychische Durcheinander beseitigt. Befreit das südamerikanischen halluzinogene Getränk den Benutzer wirklich auf einen Schlag von allem geistigen Müll, der sonst jahrelange Therapie erfordern würde? Die Psychologin Kim van Oorsouw berichtet unter anderem über ihre Forschungen zum Einsatz gegen Stress und Depressionen.

Ein vitalisierendes Abenteuer

Der Philosoph Govert Derix kam 1990 in Brasilien zum ersten Mal mit dem Ayahuasca-Getränk in Kontakt. „Ich war ein zynischer, atheistischer und nikotinabhängiger Philosoph“, blickte Derix zurück, „und ich wurde auf einen Schlag davon befreit.“ Aus dem Roman “Der Schamane von Sevilla”.

„Das erste Glas war der Beginn eines vitalisierenden Abenteuers, das zu einem `Ja` zum Leben führte“, sagte Derix. Es erinnerte ihn an das berühmte Zitat von William Shakespeare: Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir es uns vorstellen oder erträumen können. „Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Zitat in meinem Leben so oft verwenden würde.“

Ein dreifaches Verbindungspotential

Einerseits ist Ayahuasca eine fremde Kraft, die wissenschaftlichen Erklärungen zu widerstehen scheint, erklärte Derix, andererseits kann die Ayahuasca-Erfahrung von schamanischen Ritualen geleitet werden. Ayahuasca scheint daher nach einer neuen Interpretation dessen zu fragen, was Religion ist und sein könnte.

In seiner Reise fragte Derix Ayahuasca, die Pflanze selbst, nach ihrer Bedeutung für die Religion. Die Pflanze zeichnet sich durch ein dreifaches Verbindungspotential aus: die Erfahrung, die Lehre und die Gemeinschaft.

Einerseits gibt es die grundlegend individuelle, psychedelische Erfahrung, aber Derix argumentiert, dass wir vielleicht zu viel Wert auf unsere individuelle Erfahrung im Westen legen: „Ayahuasca stellt auch die Verbindung zu einem Bereich universeller Weisheit wieder her, der auch in viele andere Religionen zu finden ist. Außerdem stellt es die Verbindung zur Gemeinschaft wieder her.“

Der therapeutische Wert von Ayahuasca

Die Psychologin Kim van Oorsouw forscht wissenschaftlich über die Auswirkungen von Ayahuasca unter anderem auf Stress und Depressionen. Diese Forschung ist recht schwierig durchzuführen, da DMT, der Wirkstoff in Ayahuasca, in den Niederlanden gesetzlich verboten ist. Trotzdem gelang es Van Oorsouw und ihren Kollegen, eine Reihe von wissenschaftlichen Studien durchzuführen.

In diesen Studien erhielten die Probanden dreimal einen ausführlichen Fragebogen: einmal täglich vor der Anwendung von Ayahuasca und einen Monat später einen abschließenden Fragebogen. Diese Studien zeigen einen überwiegend positiven Einfluss des Getränkes. Die Menschen leiden kurz- und langfristig weniger unter Stress und Depressionen und weisen höhere Werte in Bezug auf Achtsamkeit, Lebensqualität (nur kurzfristig) und Kreativität auf.

Die Studien zeigen, dass die Erfahrung selbst zu Angst führen kann. Van Oorsouw rät daher jedem, das Ayahuasca-Getränk nicht ohne Aufsicht zu verwenden. Aber unter richtiger Anleitung und für die richtigen Leute könnte der Gebrauch einen therapeutischen Wert haben.

Ein unerwartetes Transportmittel

Schließlich verpflichtete sich der Philosoph Pieter Lemmens, die philosophische Dimension von Ayahuasca zu beleuchten. Lemmens ging auch von seinen eigenen Erfahrungen aus. „Ich hatte das viszerale Gefühl, am Ursprung der Dinge präsent zu sein, am Mysterium tremendum et fascinans, an der Konfrontation mit dem Heiligen oder dem Leuchtenden.“

Aber wie können wir diese Erfahrung philosophisch interpretieren? „Die häufigste Interpretation ist, dass es sich um Halluzinationen handelt, die durch chemische Reaktionen im Gehirn verursacht werden“, erklärte Lemmens. „Aber zu denken, dass dies die Erfahrung erklärt, ist dasselbe wie zu sagen, dass die hormonelle Erklärung die volle menschliche Erotik enthüllt.“

Zweitens kann Ayahuasca uns Zugang zu unserem eigenen Unbewussten verschaffen, aber laut Lemmens wäre dies höchstens Teil der Erfahrung. „Eine letzte Möglichkeit ist, dass Ayahuasca uns tatsächlich in Kontakt mit einer anderen Realität bringt“, schloss Lemmens. „In diesem Fall wäre Ayahuasca in der Tat ein Allheilmittel, ein unerwartetes Transportmittel in eine andere Welt und daher eine Einladung, sich mit einer völlig anderen Art des Seins in der Welt vertraut zu machen.“

Autor: Simon Jacobs
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Über die Referenten

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Pieter Lemmens ist Assistenzprofessor am Institut für Wissenschaft in der Gesellschaft der Universität Radboud und arbeitet an einem Buch über Philosophie und Psychedelika, in dem er die „Logos der Psychedelika“ untersucht.

Kim van Oorsouw ist Assistenzprofessorin für Forensische Psychologie an der Universität Maastricht. Sie hielt einen Vortrag über Ayahuasca an der Universität der Niederlande.

Govert Derix ist Philosoph und Schriftsteller. 2004 veröffentlichte er “Ayahuasca, eine Kritik der psychedelischen Vernunft”. 2015 erschien der Roman “De sjamaan van Sevilla”, der teilweise auf eigenen Erfahrungen im Amazonas basiert.

Bildrechte: Frau, die roten und schwarzen Federhut trägt. Photo by Marcus Pinho from pexels.com